Infografik mit Piktogrammen und Beschriftung: "keine oder nur wenig Motivation; Konzentrationslücken; Entscheidungsunfähigkeit; Kurzzeitgedächtnis".

Fati­gue bei Krebs: Ein­fach mal müde sein?

Das Sym­pto­me der Erschöp­fung ken­nen vie­le Men­schen. Eine Erschöp­fung, die im Zusam­men­hang mit Erkran­kun­gen auf­tritt, wird aller­dings als Fati­gue bezeich­net. Sie kann lang­an­hal­tend und sogar chro­nisch sein, und vie­le Men­schen lei­den dar­un­ter. Die Ursa­chen rei­chen von Schlaf­stö­run­gen, Stress und Man­gel­zu­stän­den bis zu einer Rei­he unter­schied­li­cher Erkran­kun­gen wie bei­spiels­wei­se Krebs.

Der Begriff “Fati­gue” stammt aus dem fran­zö­si­schen Sprach­ge­brauch und bedeu­tet wört­lich über­setzt “Müdig­keit” oder “Erschöp­fung”. Zudem ist das Fati­gue-Syn­drom ein häu­fi­ges Sym­ptom in der Bevöl­ke­rung und ärzt­li­chen Pra­xis. Es tritt bei unter­schied­li­chen Krank­heits­bil­dern auf und kann sehr stark aus­ge­prägt sein. Teil­wei­se so stark, dass Patient:innen sich schwer krank füh­len. Die Ursa­chen von Fati­gue kön­nen viel­fäl­tig sein. Eine spe­zi­fi­sche Ursa­che lässt sich nicht iden­ti­fi­zie­ren. Des­halb lässt sich das Syn­drom nicht ein­fach erklä­ren und ver­ste­hen. Eine Fati­gue, die im Zusam­men­hang mit chro­ni­schen Erkran­kun­gen auf­tritt, bes­sert sich oft durch die Behand­lung der Erkran­kung selbst.

Häu­fig­keit und Symptome

Die Erkran­kung tritt welt­weit auf und hat eine Prä­va­lenz von 0,2 – 0,4%, d.h. Anteil der erkrank­ten Per­so­nen an der Gesamt­po­pu­la­ti­on. Über­ein­stim­men­den Schät­zun­gen zufol­ge lei­den in Deutsch­land fast eine hal­be Mil­li­on Men­schen an Chro­ni­schen Fati­gue Syn­drom, kurz CFS. Ärz­tin­nen und Ärz­te spre­chen oft­mals auch von Myal­gi­scher Enze­pha­lo­mye­li­tis (ME). ME/CFS kön­nen zu erheb­li­chen Ein­schrän­kun­gen im All­tag füh­ren. Die WHO (World Health Orga­ni­sa­ti­on) hat ME/CFS 1969 als Erkran­kung des Ner­ven­sys­tems klas­si­fi­ziert. In der ICD (Inter­na­tio­nal Clas­si­fi­ca­ti­on of Dise­a­ses) wird es unter G93.3 als neu­ro­lo­gi­sche Erkran­kung kodiert.

Die Betrof­fe­nen lei­den oft über Jah­re an aus­ge­präg­ter kör­per­li­cher Schwä­che, Müdig­keit und Kraft­lo­sig­keit. Hin­zu­kom­men Sym­pto­me wie Kopf- und Gelenk­schmer­zen oder kogni­ti­ve Ein­schrän­kun­gen. Für den Groß­teil der Betrof­fe­nen, die meist in jun­gen Jah­ren zwi­schen 20 und 40 erkran­ken, bedeu­tet die Krank­heit CFS oft das abrup­te Ende ihres beruf­li­chen und/oder sozia­len Lebens. Vie­le Betrof­fe­ne wer­den arbeits­un­fä­hig, eini­ge sogar pfle­ge­be­dürf­tig. Die Lebens­qua­li­tät von Patient:innen mit CFS sei oft­mals schlech­ter als die von Krebs­kran­ken im fort­ge­schrit­te­nen Sta­di­um. Wie sieht es also aus, wenn die Fati­gue par­al­lel zu einer Tumor­er­kran­kung erscheint.

Tumor-asso­zi­ier­te Fatigue

Eine oft blei­er­ne „Müdig­keit“, die sowohl die kör­per­li­che als auch die men­ta­le Leis­tungs­fä­hig­keit beein­träch­tigt und sich nicht durch Schlaf­man­gel oder star­ke Belas­tung erklä­ren lässt: Das ist eine Fati­gue, die sich auch von einer „nor­ma­len“ Müdig­keit (Schlaf­man­gel) oder Erschöp­fung (durch star­ke Belas­tung) unter­schei­det. Fati­gue zählt zu einem der häu­figs­ten und belast­ends­ten Sym­pto­men einer Krebs­er­kran­kung mit denen Patient:innen zu kämp­fen haben. Die meis­ten Krebspatient:innen errei­chen nach Abschluss der Tumor-Behand­lung inner­halb eines Jah­res ihr ursprüng­li­ches Ener­gie­ni­veau zurück. Neue­re Stu­di­en zei­gen jedoch, dass etwa 30% der Patient:innen auch meh­re­re Jah­re nach der Behand­lung anhal­tend unter schwe­rer Fati­gue und den dadurch ver­ur­sach­ten Lebens-Ein­schrän­kun­gen leiden.

Da die Ursa­chen einer Fati­gue mul­ti­fak­to­ri­ell sind, kann auch eine COVID-19-Erkran­kung in Ver­bin­dung mit dem Syn­drom ste­hen. Das CFS kann sich nach ver­schie­de­nen schwe­ren Virus­in­fek­tio­nen ent­wi­ckeln, bei­spiels­wei­se nach einer Grip­pe oder nach COVID-19. Eine Infek­ti­on kann der Aus­lö­ser sein, ins­be­son­de­re bei einer bestehen­den Krebs­er­kran­kung. Ein nicht uner­heb­li­cher Teil unse­rer Pati­en­ten zeigt das Voll­bild einer CFS. Lei­der ist noch immer nicht genau bekannt, war­um etwa ein Drit­tel der Patient:innen die­se chro­ni­sche Fati­gue ent­wi­ckeln. Es gibt jedoch ver­schie­de­ne The­ra­pie­bau­stei­ne, die ein­ge­setzt wer­den kön­nen, um die Fati­gue-Sym­pto­ma­tik zu ver­bes­sern. Oft bes­sert sich der zer­mür­ben­de Erschöp­fungs­zu­stand nach eini­gen Wochen oder Mona­ten dann wieder.

Fati­gue Manage­ment bei Krebs – Was pas­siert in der Sprechstunde?

Wenn Sie in eine Fati­gue-Sprech­stun­de kom­men, ist im Vor­feld durch Gesprä­che und Fra­ge­bö­gen der Ver­dacht auf­ge­kom­men, dass eine chro­ni­sche tumo­r­as­so­zi­ier­te Fati­gue besteht. Sie selbst füh­len sich viel­leicht schon lan­ge weni­ger leis­tungs­fä­hig, häu­fig abge­schla­gen und schwach und konn­ten auch nach Ende der Tumor­t­he­ra­pie nicht Ihr altes Ener­gie­ni­veau zurück­er­lan­gen. Im fol­gen­den Abschnitt erfah­ren Sie wie eine typi­sche Fati­gue-Sprech­stun­de abläuft.

In der Sprech­stun­de wer­den zunächst gemein­sam Ihre aktu­el­len (Fatigue-)Symptome bespro­chen, der Krank­heits­ver­lauf sowie ver­stär­ken­de und ent­las­ten­de Fak­to­ren oder The­ra­pien ana­ly­siert. Ihre Kran­ken­ge­schich­te sowie die bereits erfolg­te Dia­gnos­tik wer­den begut­ach­tet. Ins­be­son­de­re um auch zusätz­li­che Fak­to­ren wie z.B. Unter­funk­ti­on der Schild­drü­se, Blut­ar­mut und Ähn­li­ches aus­zu­schlie­ßen bzw. rich­tig behan­deln zu kön­nen. Falls in der Dia­gnos­tik noch ein Bau­stein fehlt, kann die­ser ggf. ergänzt wer­den. Im nächs­ten Schritt möch­te Ihr:e behandelnde:r Ärzt:in mit Ihnen bespre­chen, wie Sie Ihre Fati­gue ein­schät­zen und Ihnen wei­ter­ge­hen­de Infor­ma­tio­nen zur chro­ni­schen Tumor­fa­ti­gue all­ge­mein und mög­li­chen The­ra­pie­stra­te­gien anbie­ten. Dar­aus ergibt sich dann ein indi­vi­du­el­ler The­ra­pie­plan, der sich aus ver­schie­de­nen Bau­stei­nen (z.B. Sport, Ent­span­nungs­ver­fah­ren, Medi­ka­men­te, Ernäh­rung) zusam­men­setzt. Fati­gue lässt sich momen­tan lei­der nicht direkt kurie­ren, son­dern nur die Sym­pto­me las­sen sich behan­deln, Kreis­lauf­pro­ble­me, Schmer­zen, schwe­re Schlaf­stö­run­gen, Man­gel­zu­stän­de wie einen Vit­amin-D-Man­gel, Fol­säu­re- oder Selen­man­gel. Ganz wich­tig ist auch, Über­las­tun­gen zu ver­mei­den, die immer wie­der zu schwe­ren Krank­heits­schü­ben füh­ren und Ent­span­nungs­tech­ni­ken zu ler­nen zum Bei­spiel über Atem­übun­gen. Das ist leich­ter gesagt als getan, denn betrof­fen sind ja über­wie­gend jun­ge Men­schen, die arbei­ten wol­len oder Kin­der betreu­en müs­sen. Aber ein wich­ti­ges The­ra­pie­prin­zip am Anfang ist, dass man erst mal Ruhe hereinbringt.

Über einen län­ge­ren Zeit­raum (z.B. 1 Jahr) erhal­ten Sie alle drei Mona­te eine Fati­gue-Fra­ge­bö­gen zu Ihrem Ver­lauf, um die Wirk­sam­keit der The­ra­pien beur­tei­len zu kön­nen. Nach sechs und zwölf Mona­ten erschei­nen Sie erneut in der Fati­gue-Sprech­stun­de zum Gespräch. Dort möch­ten die behan­deln­den Ärzt:innen wis­sen, wie es Ihnen bezüg­lich der Fati­gue geht, wel­che The­ra­pie­bau­stei­ne gut geklappt haben oder in wel­chen Punk­ten wir die The­ra­pie ändern oder anpas­sen sollten.

10 Fak­ten zur Fati­gue bei Krebs

  1. Fati­gue ist ein häu­fi­ges Sym­ptom wäh­rend und auch noch vie­le Jah­re nach einer Tumorerkrankung
  2. Fati­gue ist mehr als eine “ein­fa­che Müdigkeit”
  3. Es gibt vie­le ursa­chen für Fatigue
  4. Eine sorg­fäl­ti­ge Erhe­bung der Kran­ken­ge­schich­te ist wichtig
  5. Fati­gue ist häu­fig das Sym­ptom, das die Men­schen am meis­ten im All­tag beeinträchtigt
  6. Die The­ra­pie basiert auf meh­re­ren Säu­len der Symptomlinderung
  7. Der The­ra­pie­plan rich­tet sich nach den indi­vi­du­el­len Sym­pto­men und der jewei­li­gen Situa­ti­on der Patienten
  8. Die The­ra­pie soll­te im Ver­lauf ange­passt werden
  9. Die Ursa­che der (tumor­be­ding­ten) Fati­gue ist wis­sen­schaft­lich noch nicht gut verstanden
  10. Gemein­sam ist es häu­fig leich­ter – Selbst­hil­fe­grup­pen, The­ra­pie­grup­pen, Zusam­men­ar­beit von Therapeuten

Quel­len

gesundheitsinformation.de

Fati­gue-Cen­trum an der Cha­ri­té
https://cfc.charite.de/

Fati­gue-Cen­trum am Kli­ni­kum Mün­chen r.d. Isar
https://www.mri.tum.de/chronische-fatigue-centrum-fuer-junge-menschen-mcfc

Leit­li­nie “Long-/Post-COVID-Syn­drom„
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020–027p_S1_Post_COVID_Long_COVID_2021-12.pdf

Gesund­heits­stadt Ber­lin
https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/

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